Im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2021/22 beschäftigten sich die neunten Klassen gemeinsam mit ihrer Deutschlehrerin Meike Pehrs mit dem Thema „Stadtgedichte“. In diesem Zusammenhang lasen sie Gedichte im Unterricht und analysierten diese auf verschiedene Art und Weise. Dabei ging es in erster Linie darum, die Beziehung des lyrischen Sprechers zu einer bestimmten Stadt und zu seinen Mitmenschen in der Stadt zu erschließen sowie Erfahrungen, die die lyrischen Sprecher in der Stadt und in ihrem Arbeitsalltag machten, herauszustellen.
Im Anschluss wechselte die Klasse 9b2 die Perspektive und wurde selbst zur Dichterin bzw. zum Dichter. Die Schülerinnen und Schüler schrieben Parallelgedichte zum Sonett „Städter“ von Alfred Wolfenstein und waren durch die Aufgabenstellung dazu angehalten, die äußere Form (Strophen- und Versanzahl, Metrum, Reim) des Sonetts „Städter“ beizubehalten. Inhaltlich sollten die Schülerinnen und Schüler eine Stadt oder einen Ort aufgreifen, der eine besondere Bedeutung für sie hat. Ob dieser Ort in negativer oder positiver Weise dargestellt wird, blieb ihnen selbst überlassen. Entstanden sind dabei unter anderem folgende tolle Gedichte, die zugleich verdeutlichen, wie gut es den Schülerinnen und Schülern gelungen ist, einen inhaltlich neuen, verdichteten Text zu entwerfen, der gleichzeitig streng vorgegebene formale Eigenschaften aufweisen muss.
Viel Spaß beim Lesen!
Frankfurt
Silhouetten ragen wie Messer in die Wolkenwand
Die Sonne lächelt, Menschen strahlen
So vollkommen, es ist nicht auszumalen
Alle Probleme lösen sich von Hand.
Von Menschen geflutet die Straßen
Straßenkünstler singen, Vögel klingen
Gebäude, die Menschen umringen
Die Schönheit hält sich nicht in Maßen.
Dunkel wird der Himmel,
Ich sehe Menschen, die sich schaden
Dämonen in ihnen auf einmal erwacht.
Schreie füllen die Nacht,
Lauter das Gewimmel,
Ich verliere den roten Faden.
2020
Bei schlechtem Wetter ist es niemals leer
Auf jedem Weg die Fahrräder drängen
Und alles so nah, kein Weg in Längen
Die Leute so viel wie Sand am Meer
Menschenschlangen stehn vor den Türen
Einkäufer in den Läden hin und her
Dort ist`s mit den Worten und Laufen schwer
Wohin soll das Ganze noch führen?
Straßen sowie Läden leer gefegt
Masken, welche Gesichter verbergen
Liegen in Rucksäcken und Ecken
Fenster offen und Schule mit Decken
Unser Leben komplett still gelegt
Tests und Angst, die nun Alltag werden?
Ignoranz
Hoch wie die Wolken im Himmelmeer
Häuser eng zusammen bei Tag und Nacht
Und oben darüber der Mond, der wacht
Und die Sterne stehn wie Gottes Heer.
Ein Teil der Stadt die Menschenmassen
An jeder Ecke frei und fröhlich fühln
Jeder ein kleiner Teil wie bei Moleküln
Doch das Elend versteckt in den Gassen
Viele Schatten schaurig schön
Ratten, Penner, Traurigkeit alle vereint
Die Anzugträger ziehn vorbei, ohne zu schaun
Um sie zu genießen musst du’s verdaun
Du bist nicht dort, hörst du nicht dröhn
Ob schön oder schlecht an dem Tag hat die Stadt geweint.
Herbst in der Stadt
Grüne Wiesen, schöne Blumen blüh’n
Ein kunterbuntes Blatt ganz sachte fällt
Das Gefühl, dass der Herbst die Zeit stillhält
Der Morgen erwacht in seinen Frühen.
Das freudige Lachen der Kinder schallt
Familien mit Hunden durch die Wälder
Geh’n, streichen durch lieblose Rapsfelder.
Tiere in den Winterschlaf treten bald.
Große Menschenmassen murmeln munter
Und die U-Bahn donnert wild herab
Tropfen prasseln auf das Grau der Fahrbahn
Fühl mich wie in einem grausamen Warn
Und ein jeder geht hier leise unter
Danach bekam ich meine U-Bahn knapp.
von Leni Kemper
Kontraste
Tausende Häuser, Tausende Leute
Werbeplakate blinken froh und bunt
Hinter den Wolken scheint es kerngesund
Ein Anblick, welcher mich sehr erfreute.
Ein Blick auf die Straße: Barmherzigkeit
Familien im Park, sie essen Eis
Auf mich wird gewartet, schön, dass ichs weiß
Der Gedanke, er ist Vollkommenheit.
Auf dem warmen Sessel, wo ich sitze,
in den schwarzen Kasten meine Blicke
auf die Welt, die man verzweifelt flicke.
nicht weit entfernt; Kugeln fliegen, Bomben
hageln, zerbrochene Familien.
Doch ich bin zuhause, mir geht es gut.
von Maximilian Kemper und Anna Vassiliades
Bagdad
Wer Bagdad nicht gesehen hat
Ist als hätte er die Welt nicht gesehen.
So reich und schön ist diese Stadt
Wie schwer ist es, sie zu übersehen
Museen und Moscheen, wohin man sieht.
Ihre Schönheit schon lange nicht verdeckt.
Bagdad ist wie die Sonne, wir spielen aus ihren Strahlen ein Lied.
Die Stadt der Kulturen, der Lichter, die Schönheit in ihr erweckt.
Ihre Lichter in der Nacht, wie der Mond am Himmel
Ob Tag oder Nacht, auf den Straßen Menschengewimmel.
Herzensgute Leute, ihr Anblick mich freute
Vom Essen ganz zu schweigen
So vielfältig und lecker
Bagdad, du triffst alle Geschmäcker.
Heimat
Die Stadt übertönt vom Lärm
Autos jagen durch das Labyrinth
Schneller als der Wind
Und die Atmosphäre so erwärmt
Vollgekrümmelt mit Müll das Dächermeer
Haufen ragen in den Himmel so sehr
Wo bleibt die Rettung, mein Herr?!
Woher? Umher, und nicht mehr
Ich blick auf meine Stadt herab
Trotz allem wunderschön und grün, als wäre es ein Traum
Ein Blümchen dort, ein Blümchen da
Aus allen Ecken sprießt ein Baum
Den Wald, den treib ich auf und ab
Die Ruhe so fern, aber doch auch so nah